Veröffentlicht am 28.11.2023
Talpasolutions: Treibende Kraft des Industrial Internet of Things kommt aus dem Ruhrgebiet
Once coal – now data. Unter dieser Prämisse fördert die Hands on Data seit 2019 Industrie Daten im Ruhrgebiet, indem sie Startups mit entsprechendem Fokus unterstützt. Dass vorallem auch die Schwerindustrie des Ruhrgebiets einen ungenutzten Datenschatz birgt, hat auch das Startup Talpasolutions aus Essen erkannt und sich zum Vorreiter entwickelt.
Die cloud-basierte Software-as-a-Service Plattform, welche eine effiziente Leistungsüberwachung und Optimierung von Maschinen und Anlagen ermöglicht, richtet sich gezielt an Flottenbetreiber und Hersteller in den Bereichen Bergbau, Bau und Logistik und setzt dabei Digitalisierungsprozesse in traditionell konservativen Branchen um. In der Praxis vernetzt die Software u.a. mobile Schwermaschinen, erfasst ihre Daten und übersetzt diese in konkrete Handlungsempfehlungen für Maschinenhersteller und -betreiber um. Mit seinem Angebot ermöglicht das Startup der Industrie, optimierter, sicherer und nachhaltiger zu arbeiten, indem z.B. Ausfälle reduziert und dadurch Kosten gesenkt werden können.
Mittlerweile unterstützt Talpasoltutions Unternehmen auf der ganzen Welt und gilt als größter Treiber des Industrial Internet of Things innerhalb der Schwerindustrie – ein Erfolg, welcher den Weg für weitere ebnet, denn im März diesen Jahres konnte sich das Startup ein Investment in Höhe von 15 Mio. Euro in seiner Series-B Finanzierungsrunde sichern.
Wir haben im Interview mit Sebastian Kolwitz, Co-Founder und CEO von Talpasolutions, über die Entwicklung des Startups zum führenden Anbieter für Advanced-Analytics und Intelligence in seinem Bereich gesprochen und sind dabei außerdem der Frage auf den Grund gegangen, welche Rolle das Ruhrgebiet dabei für den Erfolg des jungen Unternehmens spielt.
K.I. und Big Data sind aller Munde, dabei denkt man vor allem an Computer, Plattformen und futuristische Lösungen – ihr dagegen an die Schwerindustrie. Wie kam es zu Talpasolution?
Sebastian: Die Gründungsidee von Talpasolutions entstand aus meiner Erfahrung bei meinem früheren Arbeitgeber. Dort war ich als Technik-Consultant tätig und beschäftigte mich mit Garantieansprüchen für Maschinen sowie mit Prozessoptimierung. Wir nutzen diese Daten, um Wartungsprognosen zu erstellen, den Maschinenzustand zu überwachen und die Effizienz zu steigern. Diese Maschinen waren sehr komplex und führten nicht nur einfache A-to-B-Bewegungen aus, sondern hatten komplexe Bewegungsabläufe wie Heben und Senken.
Wir nutzen diese Daten, um Wartungsprognosen zu erstellen und den Zustand der Maschinen zu überwachen. Unsere Lösung liefert Informationen für Reparaturen, erkennt unsachgemäße Behandlung und bietet Optimierungsvorschläge. Wir ermöglichen Techniker:innen eine bessere Nutzung der Maschinen und können auch den optimalen Einsatz beurteilen, zum Beispiel im Bergbau.
Unsere ursprüngliche Idee bestand darin, die vorhandenen Daten sinnvoll zu nutzen, indem wir eine Lösung entwickelten, um die Daten von den Maschinen abzurufen und auf einem Computer anzuzeigen. Dadurch können wir vorhersagen, welche Teile benötigt werden und Probleme erkennen. Wir unterstützen Techniker bei Reparaturen und helfen dabei, Ausfallzeiten zu minimieren. Gleichzeitig bewerten wir den effizienten Einsatz der Maschinen und bieten Optimierungsmöglichkeiten, insbesondere im Bergbau, um Ziele zu erreichen und Verbesserungen umzusetzen.
Wie hast du das Unterstützungssystem für Start-ups im Rahmen eurer Gründung allgemeinwahrgenommen? Gab es während des Wachstums eures Unternehmens Schwierigkeiten beim Zugang zu Ressourcen oder bei der Suche nach angemessener Beratung?
Sebastian: Generell ist die Erwartungshaltung an Unterstützungssysteme immer vorhanden, und wir wurden teilweise auch übertroffen. In jeder Phase der Unternehmensentwicklung sind unterschiedliche Formen von Unterstützung notwendig. Ich glaube, dass dies von Unternehmen zu Unternehmen und von Startup zu Startup unterschiedlich ist, je nach Produkt und anderen Faktoren.
Als junges Unternehmen haben wir besondere Herausforderungen beim Verkauf an große Unternehmen und bei der Einstellung von Arbeitnehmer:innen, die ebenfalls schwierig sein kann, aber es gibt viele Unterstützungsdienste. Als Start-up können wir nur bestimmte Mitarbeiter:innen ansprechen, je nach ihrer Attraktivität und ihren Anreizen.
Es gibt verschiedene Facetten, in denen Unterstützung möglich und notwendig sein kann. Gründer:innenmüssen ihre Arbeit machen und den Gründungsprozess verstehen. Bildung auf regionaler Ebene kann helfen, ein gründerfreundliches Klima zu schaffen. Es ist auch wichtig, die Einstellung zur Gründungskultur zu ändern, da viele in Deutschland Angst vor dem Scheitern haben.
Deutschland ist in Bezug auf Ressourcen gut aufgestellt, aber die Mentalität und Einstellung zu Start-ups und Gründungen könnten gestärkt werden, indem nicht nur über Erfolgsgeschichten, sondern auch über Misserfolge gesprochen wird. Es ist wichtig, die Reise und den Aufbau von Start-ups zu verstehen.
Konntet ihr im Rahmen eurer Gründungen eines der zahlreichen Accelerator-Programme wahrgenommen?
Sebastian: Wir wurden von der Uni unterstützt, da wir ein Spin-Off der Uni Aachen sind. Ich habe mich an das Gründerzentrum der Uni Aachen gewandt, um Unterstützung zu erhalten. Wir haben viel Unterstützung aus der Region erhalten, von der EWG, Unternehmen, und auch der Stadt Essen. Als Start-up in NRW bekamen wir immer Unterstützung, wenn wir sie brauchten. Dafür haben wir uns eingesetzt, und das haben wir immer getan.
Welche Art von Unterstützung und Ressourcen waren deiner Meinung für die Entwicklung eures Start-ups besonders wichtig? Habt ihr z.B. von speziellen Investment-Formaten profitieren können oder eine Förderung erhalten?
Sebastian: Wir haben Investoren wie den Gründerfonds Ruhr und die NRW-Bank. 2018 erhielten wir 1,5 Millionen Euro Funding vom High-Tech Gründerfonds und vom Gründerfonds Ruhr. Wir haben 2016 als Gründer begonnen und zunächst EU-Förderung erhalten, aber auch selbst finanziert. Das war damals schwierig.
Ich wusste damals nichts über Investor:innen. Ich bin zu Banken gegangen, habe ein Business-Konzept geschrieben, aber sie konnten mir keinen Kredit geben und haben mir geraten, mit Investor:inneen zu sprechen. Das habe ich dann auch getan. Für sie war das ungewohnt, da sie sich eher auf Software für B2C-Anwendungen spezialisierten. Das war am Anfang eine Herausforderung, hat sich aber stark verändert.
Wie groß ordnet du das das Wachstumspotenzial eures Start-ups ein und habt ihr eventuell besondere Märkte oder Segmente zum Ziel?
Sebastian: Um es in Zahlen auszudrücken, gibt es weltweit rund 5 Millionen mobile Geräte, Lastwagen usw. Dieser Markt ist derzeit unser Fokus, aber es gibt noch weiteres Wachstumspotenzial, indem wir weitere Industriebereiche hinzufügen. Unser Ziel ist es, uns schnell auf diesen Markt zu konzentrieren und zu bedienen.
Wir haben bereits in den Bereichen Bergbau, Bauwesen, Landwirtschaft und Logistik expandiert. Unser Produkt musste nur geringfügig angepasst werden, um den Anforderungen der Industrie gerecht zu werden. Wir streben langfristig weitere Märkte an. Wir befinden uns in der Series-B-Finanzierung und haben bewiesen, dass unsere Systematik funktioniert, unser Produkt erfolgreich ist und unser Geschäftsmodell valide und skalierbar ist. Jetzt möchten wir in den jeweiligen Industrien Fahrt aufnehmen und unser Team erweitern.
Wir werden in Zielländern wie den USA, Asien, insbesondere Japan, und anderen Ländern präsent sein, um unseren Kunden näher zu sein und lokale Expert:innen zu haben. Unser Kern bleibt aber in Essen, und die Entwicklung wird dort bleiben. Wir werden das Team jedoch erweitern, um innovative Lösungen zu entwickeln und Mehrwert zu schaffen.
Unsere Erfolge umfassen die Identifizierung eines sinnvollen Marktsegments und die Skalierung unseres Unternehmens. Wir haben erfolgreich Investitionen erhalten, um schneller zu wachsen. Wir sind stolz darauf, mit dem renommierten Motorenhersteller Deutz AG. zusammenzuarbeiten, was ein großer Meilenstein für uns ist. Insgesamt zeigen unsere Erfolge, dass wir auf dem richtigen Weg sind und unsere Produkte von großen Unternehmen geschätzt werden. Wir sind motiviert, weiter zu wachsen und unseren Erfolg auszubauen.
Was sind eure jüngsten Erfolge und Errungenschaften?
Sebastian: Die jüngsten Erfolge und Errungenschaften sind vielfältig. Zunächst einmal haben wir erfolgreich ein Marktsegment identifiziert, in dem wir ein sinnvolles und effizientes Geschäft aufbauen können. Ein weiterer Erfolg besteht darin, dass wir eine Skalierungsmöglichkeit gefunden haben. Eine wichtige Meilenstein-Erreichung war unsere erfolgreiche Investitionsrunde, bei der wir finanzielle Unterstützung erhalten haben, um unser Geschäft schneller, effizienter und größer auszubauen.
Obwohl die Investitionsrunde eine Bestätigung für unsere Arbeit darstellt, sehen wir sie nicht unbedingt als Erfolg an, sondern eher als einen wichtigen Schritt auf unserem Weg. Es ist eine Bestätigung dafür, dass andere Unternehmen ebenfalls an unsere Vision glauben und bereit sind, in uns zu investieren, um unsere Ziele zu erreichen.
Ein bedeutender Erfolg besteht darin, dass wir über ein solides Geschäftsmodell verfügen, das wir nun skalieren können. Ein Beispiel für einen unserer größten Kunden ist die Firma Deutz AG, ein großer Motorenhersteller. Die Zusammenarbeit mit einem solch großen Unternehmen ist für viele Start-ups eine Herausforderung, und wir sind stolz darauf, dass wir diese Partnerschaft erfolgreich etabliert haben.
Wie würdest du die allgemeinen Zukunftsaussichten von Talpasolutions beschreiben? Was sind eure wichtigsten langfristigen Ziele oder Visionen?
Sebastian: Natürlich prosperierend. Durch die Entscheidung, externe Investor:innen einzubeziehen, streben wir eine schnelle Expansion an und möchten einen großen Marktanteil gewinnen. Dafür brauchen wir ein großes internationales Team. Wir müssen große Marktanteile gewinnen und uns entsprechend vorbereiten.
Daher werden wir das Team in den nächsten 24 bis 36 Monaten stark erweitern, verdoppeln oder verdreifachen. Soziale Aspekte sind dabei von großer Bedeutung. Gleichzeitig müssen wir das Unternehmen auf ein höheres Niveau bringen, an dem nicht nur viele junge Menschen zusammenarbeiten, sondern auch unternehmerisches Denken und Prozesseinführung eine Rolle spielen.
Ich sehe uns in zwei Jahren stark gewachsen, mit einem größeren Team und einer noch stärkeren internationalen Präsenz. Wir werden eine Vielzahl spannender Kunden gewonnen haben, die als Multiplikatoren in der Branche fungieren und unseren Namen noch stärker repräsentieren. Mehr Unternehmen werden uns wählen, weil sie wissen, was wir tun, wie wir helfen können und wie wir den Wettbewerb fördern können.
Kommen wir zur letzten Frage, die uns als Gründerallianz Ruhr natürlich insbesondere interessiert: Wieso habt ihr euch für das Ruhrgebiet entschieden?
Sebastian: Wir haben im Ruhrgebiet gegründet aus zwei Gründen. Erstens habe ich während meiner Gründungszeit meine heutige Frau kennengelernt, die aus dieser Region stammt. Zweitens hatte ich bereits vorher Kontakte und Verbindungen hier. Wir haben darüber nachgedacht, ob wir damals nach Aachen, Berlin oder an einen anderen Ort gehen sollten, aber letztendlich haben wir uns dagegen entschieden, da der Ruhrgebiet-Standort viele Vorteile bietet. Die Mieten sind günstig und es gibt hier nicht so viel Konkurrenz wie in Berlin.
Deshalb haben wir uns gesagt: Warum nicht? Ob ich nun in Berlin oder im Ruhrgebiet bin, die Vorteile überwiegen. Und bis heute hat sich das bewahrheitet. Natürlich gab es die offene Frage oder das Risiko, ob wir hier ausreichend Personal finden können. Aber das Ruhrgebiet ist sehr gut angebunden. Wir sind nah an Köln und seit Corona ist die Anbindung noch wichtiger geworden. Seit damals betrachtet haben wir die richtige Entscheidung getroffen. Ich möchte es nicht missen und wir sind zufrieden.
Ein weiterer wichtiger Punkt für uns ist, dass hier viele Unternehmen ansässig sind, mit denen wir zusammenarbeiten. Wenn auch unsere Kunden in der Umgebung sind, brauchen wir nicht so viel zu reisen, es ist kostengünstiger. Unsere Kunden befinden sich nicht hauptsächlich in Berlin. Am Anfang waren sie hauptsächlich in Deutschland, mittlerweile sind sie weltweit. Aber auch dafür hat das Ruhrgebiet gute Flughäfen. Es ist alles da.